Einigung in der Atomfrage- Historischer Fehler?
Die Gespräche in Genf enden mit einem Konsens hinsichtlich
der iranischen Atomnutzung: Sonach soll eine weitere Urananreicherung
unterbunden werden, vorhandenes Uran jedoch für die Atomkraftaufbereitung verwendet
werden. Was nach einer seichten Lösung in der Iran-Frage aussieht, könnte sich
in nicht allzu ferner Zukunft als folgenschwerer Fehler erweisen. Größter
Verlierer dieser Verhandlungen erscheint dadurch der israelische Staat zu sein,
wessen Existenz der Iran abermals in Abrede gestellt hat. Greift Iran nunmehr
ganz unbehelligt nach der Atombombe?
Zweifellos haben die Unterhändler der mächtigsten Staaten
der Welt ohne hinreichende Obacht ein Abkommen geschlossen, das womöglich die
Machtverhältnisse im Nahen Osten auf eine Zerreißprobe stellen wird. Demzufolge
darf der Iran sein Atomprogramm weiter betreiben, jedoch nur wenn es sich
verpflichte auf eine weitere Anreicherung zu verzichten. Israel und seine
westlichen Partner vermuten hinter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der
Atomkraft lediglich einen Vorwand, um nach der verheerenden Bombe zu greifen.
Iran habe wiederholt zur Geltung gebracht, dass man nicht
nach der Atombombe strebe, sondern darauf bedacht sei Atomkraft zum zivilen
Nutzung zu gebrauchen. Israel, welches sich in seinem Existenzrecht bedroht
fühlt, kauft das der iranischen Regierung nicht ernsthaft ab. Die Sorge ist
berechtigt, zumal der Iran in der Vergangenheit kein Hehl daraus gemacht habe,
den Israelischen Staat von der Staatskarte tilgen zu wollen.
Demnach erscheint es nicht sonderlich abwegig von einem
„historischen Fehler“ zu sprechen, so der O-Ton der israelischen
Ministerpräsidenten Netanjahu. Sein britischer Amtskollege dagegen sieht einen
entscheidenden Durchbruch in den Verhandlungen mit dem Iran, welches durch die
verhängten Sanktionen der Weltgemeinschaft arg zu ächzen hatte, und nunmehr den
Gürtel nicht mehr so eng schnallen müsse. Deutschlands Außenminister Westerwelle
spricht von einem Wendepunkt.
Netanjahu will glaubhaft machen, dass das iranische
Staatsoberhaupt Ruhani eine gemäßigte Haltung bloß vorspiele, um hinter
verschlossenen Türen an einer Atombombe zu arbeiten. Nach israelischer
Expertenmeinung könnte der Iran eine einsatzfähige Bombe bereits in vier bis
sechs Monaten fertig gestellt haben, wonach die Alarmglocken der israelischen
Regierung laut ertönen dürften. Von einem Präventivschlag ist die Rede, anbei
die Lage im Nahen Osten weiterhin hochexplosiv bleibt, und die Fronten klar
verhärtet sind. Von einem Einlenken der Iraner ist wahrlich nicht auszugehen,
womit man weiter an der Schwelle eines Krieges stehe.
Der iranische Geistliche und der heimliche Strippenzieher
der Politik, Ajatollah Ali Chamenei, bezeichnet Israel als einen „tollwütigen
Hund“, welcher „zum Scheitern und zur Vernichtung verurteilt“ sei, was viele
Israelis gleichsam verschrecken dürfte. Die Sorge vor einem vermeintlichen
Völkermord ist beachtlich. Selbst Vergleiche zur Nazi-Zeit, der so genannten
Appeasement-Politik, im Zuge dessen Großbritannien und Frankreich 1938 einer
Teilung der Tschechoslowakei zu Deutschlands Gunsten abgestimmt hätten, um den
drohenden Krieg zu verhindern, werden nun herangezogen.
Wie dem auch sei, die Lage im Nahen Osten ist brüchig.
Voraussagen über den weiteren Verlauf der gegenseitigen Beziehungen lassen sich
nicht von vornherein klären. Die USA täten gut daran, Israel vor einem
militärischen Alleingang abzubringen. Wenn Worte jedoch zu heißer Luft
verpuffen, dürfte man Schlimmeres befürchten. Im Gegenzug bedeute das Abkommen
für den Iran den „größten diplomatischen Sieg der vergangenen Jahre“. Man darf
also weiterhin gespannt darauf blicken, wie sich die Konstellation in dieser
ölreichen Gegend entwickeln wird.
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