Inmitten der Corona-Krise zeichnet sich eine neue
Regierungsbildung in Israel, mitunter alter Politfrontmänner ab: Der Likud-Block und das
linksradikale Bündnis Blau-Weiss, um ihre Führer Benyamin Netanjahu und den
Ex-Armeechef Benny Gantz einigten sich vorigen Montag auf eine
Regierungsbildung in letzter Sekunde. Anlass hierfür, bot sich die
anschwellende Pandemiewelle, mehr denn suggerierter Koalitionswille. Israel
muss sich nunmehr neben der existenziellen Kriegsangst, dem grassierenden Covid-19-Virus, auch einer ausschweifenden
Rezession entgegenstellen.
Dass, das Regierungschaos nun überwunden zu sein
scheint, möge keinen israelischen Bürger so recht ruhig stimmen. Zu viele
Ungereimtheiten im Politapparat Netanjahus mehren sich, als dass von einer
Beruhigung der Lage im Land zu sprechen sei. Der Politkompromiss, der ihm jetzt
eine Pause, zwischen dem gegen ihn geführten Prozess wegen Untreue, Betruges
und Bestechlichkeit garantiert, ist eine eigens hausgemachte Angelegenheit.
Netanjahu ist bereits angeklagt, die gegen ihn
erbrachten Straftaten begangen zu haben; als innehabender israelischer
Ministerpräsident ist er vor der Strafverfolgung aber zeitweilig sicher. Fakt
ist aber, dass er die Regierung nicht allein, sondern einzig nur mit dem
Armeeveteran Gantz übernimmt.
18 Monate präsidiert Netanjahu, danach übernimmt Gantz
die Regierungsgeschäfte. Somit geht Netanjahu der Verpflichtung nach, sich den
ordentlichen Gerichten zu stellen. Der Kompromiss scheint aber ein „fauler“ zu
sein; denn Netanjahu kann die obersten Richter auf sein Geheiß ernennen und
somit schließlich Einfluss auf den Prozess zu nehmen.
Dem israelischen Bürger wird diese Tatsache aber wohl
bewusst vorenthalten und ein Weg aus der Krise suggeriert. Die Regierung, die
eine handfeste Krise im Land vorbeugen wollte, einigte sich in einigen
Kernpunkten: So sollen die nächsten sechs Monate zur Corona-Prävention- und
Bekämpfung genutzt werden, um sich dann anderen Themen zu widmen. Die
Notstandsgesetzgebung sieht aber auch den Trump-Plan, der international zu
höchst umstrittenen Annexion des Westjordanlandes, vor.
Dabei dürfte keinem Beobachter entgehen, dass da
weiteres Blutvergießen in spe geplant ist. Die israelische Armeeführung nimmt
das bewusst billigend in Kauf; denn es geht um Ressourcen und Land, in Zeiten
einer weltweit instabilen Wirtschaftslage. Dass, die Rezession auch Israel hart
getroffen hat, erübrige sich der Erwähnung, was sich die derzeitige
26-prozentige Arbeitslosenquote beweise.
Der aufgeblähte Politpopanz zeige sich derzeitig in
der Machtverteilung in der israelischen Knesset: So sollen, sowohl von Likud,
als auch vom Bündnis Blau-Weiss aktuell 30 Minister und 16 Vizeminister
installiert werden- später sei sogar von 36 Ministern die Rede. Angesichts der
hohen Arbeitslosigkeit, kann so eine Tüchtigkeit vor dem Volk wohl kaum erklärt
werden.
International stößt die Wiedereinsetzung Netanjahus,
als Ministerpräsident auf kritische Stimmen. National werden Veränderungen zum
Besseren wohl kaum zu erwarten sein, was der 16-seitige Koalitionsvertrag auch
nicht andeuten lässt. Man könnte meinen, Netanjahu und Gantz wollten
persönliche Motive bei der jetzigen Regierungskonstellation hintenanstellen, um das Land nach vorne zu
bringen; mehr als eine verantwortungsvolle Resignation vor Augen der
Corona-Krise, scheine die Regierungsbildung aber nicht zu sein. Und sollten die
Israelis angesichts der aufkommenden Verurteilung Netanjahus erneut wählen
gehen, wäre es die vierte Wahl binnen kurzer Zeit und Gantz leidiger „Siegeszug“.